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Kritiken

Spaß mit Widerhaken: die Stachelbären

REGENSBURG.Der gemeine Stachelbär ist eine nomadische Spezies, die sich gerne vorübergehend in engen, der Kultur gewidmeten Räumen ein, die auch Kabarett-Bühnen heißen. Im Regensburger Statt-Theater hat sich eine ganze Familie für drei Tage einquartiert. Dort frönen die drei Kleinkünstler ihrer Lieblingsbeschäftigung: dem Granteln, der Politsatire und dem nachtschwarzen Humor.
Das neue Programm, das die dreiköpfige Truppe des – eigentlich sechsköpfigen – Kabarett Stachelbär aus Pfaffenhofen, bestehend aus Michael Eberle, Roland Andre und Claus Drexler, im Statt-Theater zeigt, heißt „Auf eigene Gefahr“. Und der Titel ist mehr als berechtigt. Wer einen schönen Abend mit Schmunzel-Wohlfühl-Kabarett erwartet hatte, der knallte hart auf dem Boden der Realität auf. Die Stachelbären bringen ihr Publikum nicht mit flachen Gags zum Lachen, sondern mit tiefen Anekdoten zum Nachdenken. Zwar sind diese Anekdoten witzig, doch deren Moral ist immer unbequem.
Wie ein harter Holzstuhl mit Schraube

Überhaupt ist das ganze Stachelbären-Programm ziemlich unbequem. Wäre es ein Sitzmöbel, wäre es ein ungepolsterter Holzstuhl. Einer, bei dem eine Schraube aus der Sitzfläche herausragt. Und immer, wenn man es sich gerade mit Comedy und Kalauer bequem machen will, sticht sie uns wieder schmerzhaft in den Po.
Thematisch geht es um unser gestörtes Verhältnis zu Milch vom Discounter und Fleisch aus dem Ein-Euro-Shop oder um die Wunder der modernen Technik, die uns so viel Lebenszeit einsparen, dass man meinen könnte, allein das Multitasking an iPhone und Tablet wäre für den Anstieg der Lebenserwartung in Deutschland verantwortlich. „Auf eigene Gefahr“: Den Warnhinweis zu Beginn der Vorstellung sollte man nicht überlesen. Denn hier bleibt das Lachen schon mal quer im Hals stecken.

Die Truppe aus Pfaffenhofen gastiert bis Donnerstag im Regensburger Statt-Theater und gibt durchaus schmerzhafte Denkanstöße.

Die Stachelbären sind noch bis 10. September, jeweils 20 Uhr,

Drei Fünftel Stachelbär – Auf eigene Gefahr

Pfaffenhofen, 13.10.2014 (mh)
Das Beste vom Besten, das Feinste vom Feinen, das Bissigste vom Bissigen, von den Schönsten der Schönen, das Pfaffenhofener Kabarett zu bieten hat. Die drei Altmeister der Sprachakrobatik, aus erfolgreicher heimischer Zucht, Roland Andre, Claus Drexler und Michael Eberle, seit 33 Jahren gemeinsam, erfolgreich auf der Bühne, besetzen fast jeden Superlativ.

Tägliche Erfahrungen aus drei Jahrzehnten, mit dem Sinn und Unsinn dieser Welt, lassen sie gelassen sein, was den Bühnenauftritt betrifft. Die Herren kennen sich und lassen keinen Moment aus, dieses geheime Wissen auch in hinterfozigstem Spott auszuspielen. Es ist diese schöne, gefürchtete und unnachahmliche Pfaffenhofener Art, des „Bläd daher redens, aber gscheid“, die nur dem Hiesigen wirklich geläufig ist.
Der Programmtitel „Auf eigene Gefahr“, bezieht sich demnach auch mehr auf den „Zuazogna“ im Publikum, oder wie Fred Fesl sagt, dem „Semigeist“. Eine Bildung braucht es schon, will Frau/Mann, den teils aberwitzigen Sprach Stafetten folgen, der rein oberflächliche Zeitgenosse ist klar im Nachteil. Obwohl, die Veganernummer nach der Pause, mit Claus Drexler als Rollbratensemmelgenießer und Michael Eberle am Bratensemmelschnürl, versteht sogar das Dr. Kind aus der Burzlbaam Kita.

Sie merken, die eigene Erfahrung spielt eine große Rolle im Kabarett der 3/5 Stachelbären, wer sich betroffen fühlt, ist auch gemeint. Wer Starkbierkabarett, oder Singspiel erwartet hat, wurde enttäuscht, zwar waren einige Solonummern aus dem letzten Frühjahrsprogramm geliehen, doch das „Derblecken“ blieb aus. Nachdenkliches, und der „normale“ Umgang, mit dem eigentlichen Irrsinn, in unserer täglichen Welt, bestimmt den Inhalt des Bühnengeschehens.

Kabarett Stachelbär, steht nicht nur in Pfaffenhofen, für erlesene Satire und feines Schauspiel. Manche Figuren sind das Du und Ich, aber über dieses Spiegelbild zu lachen, befreit von dem Zwang es zu ignorieren. Der gemeine Stachelbär, ist eben im richtigen Leben, durchaus in der Lage, sich und die seien, mit „normaler“ Arbeit zu ernähren. Der Spagat zwischen diesen Welten, gebiert bei dieser Truppe feinste Texte und herrlich absurde Szenen.
Die weise Entscheidung, ein eigenes Programm zu spielen, dem Kabarettistenherz einen Schubs zu geben und die vielen „Fans“ damit zu beglücken, ist eine ebensolche. Frau/Mann muss es gesehen, gehört und erlebt haben, die Stachelbären gehören zu Pfaffenhofen wie der Kirchturm, das Rathaus und die Mariensäle. „Ohne dat´s zwar a geh, aber wia schaugt denn des aus!“
Weitere unverzichtbare Vorstellungen unter http://stachelbaer3.de/

Volle Breitseiten

Pfaffenhofen (PK) Trotz nur drei Fünftel Stachelbären erlebten die Zuhörer am Samstag im Haus der Begegnung ein 100-prozentiges Programm oft bitterböser Realsatire, bei der einem manchmal das Lachen im Halse stecken blieb.

Ohne Brigitte Moser und Volker Bergmeister sind die Stachelbären nach eigener Aussage „nur zu drei Fünfteln besetzt“, was impliziert, dass im kommenden Frühjahr, wenn es wieder um Pfaffenhofen geht, die volle Besetzung auf den Brettern steht. Bis dahin aber agiert das Ensemble quasi als „Stachelbären light“ zu dritt und enthält sich bewusst jeglichen Lokalkolorits, was kein Schaden ist, denn der tägliche Wahnsinn unseres Daseins liefert kabarettistischen Stoff genug. Dabei sind sie nicht frei von Selbstzweifeln, wenn sie die Menschenschlangen sehen, die sich um Eintrittskarten für einen Auftritt von Monika Gruber bemühen: „Was hat die, was wir nicht haben“, fragen sich die Kabarettisten und finden gleich die Antwort: „Vielleicht, weil wir die Texte manchmal erst auf der Bühne erfinden.“
So schlägt das Trio einen großen Bogen über die Tücken des Alltags, den Umgang mit modernen Medien, das Leiden von Veganern, den Auswüchsen der Nobelgastronomie, gegen die CSU und über den Datenschutz: pointiert, spitzzüngig und tabulos. Das machen die drei professionell, mit solistischen Passagen, in permanent wechselnden Duos oder auch im Trio, je nach Thema und gebotener Situationskomik. Die besteht aus geschliffenen Texten, immer auf dem Punkt, mit entsprechender Mimik oder auch per nonverbaler Kommunikation, wenn es darum geht, dem Dritten die kalte Schulter zu zeigen. Situationskomik aber auch bei kleinen Bühnenpannen: So hat Eberle in einem Sketch über mediales „Multitasking“ in der einen Hand ein iPad, in der anderen ein Smartphone, in den Ohren je einen Ohrhörer. Er sei zeitsparend immer „online“, könne gleichzeitig eine Firmenpräsentation vorbereiten, Helene Fischer hören und „die News checken“. Als er beim Text einen „Hänger“ hat, fragt ihn Andre: „Steht der nicht im iPad“ – Gelächter auf der Bühne und im Publikum.
Köstlich auch das Duo Drexler/Eberle, wobei letzterer einen leidenden Veganer mimt, der mit gierigen Augen auf die Rollbratensemmel von Drexler schielt und blitzschnell die Schnur dessen Bratenstücks durch seine Zähne zieht. Als Veganer esse er kein Fleisch, meint Eberle, was bei Drexler schieres Entsetzen auslöst: „Kein Fleisch – immer nur Wurst“ Auch seien für Veganer Reisen nach Kassel oder Wien tabu, „weil die alles meiden, was mit Fleisch oder Tieren zu tun hat, das gilt auch für die Zebrastreifen auf der Fahrbahn“.
Auch bekommt die Gastronomie mit ihrem Hang, banale Gerichte mit großartigen Wortschöpfungen zu versehen, eine volle Breitseite ab: aus einem simplen Weißbier mache die „im Holzfass gereifter gehopfter Sud von fermentierten Weizenkörnern, serviert mit einer Krone aus dem eigenen Saft“. Ohne Grillseminar könne man heutzutage nicht mehr grillen, meint Drexler. Statt wie früher die Kohle mit Spiritus zu marinieren, benutze man heute einen „Anzündkamin“, grille „dry-aged“ Fleisch in einem „Smoker“ per handyüberwachter Kerntemperaturmessung. Das hinge wochenlang in temperierten Reifekammern, und stimmten deren Temperaturgrade nicht, wäre es dank der Bakterien nicht mehr an dem Platz, wo man es zuvor hingehängt habe.
Bitterböse Roland Andre als „Proll“ über die Dritte Welt und die Flüchtlinge, die sich ungeduldig in die Boote „neibatzen“ wie in der Münchener U-Bahn beim Oktoberfest, anstatt auf das nächste zu warten. Bitterböse Realsatire auch, wenn Eberle über die Produktion seiner „unter Fünf-Euro-Jeans“ bis hin zu EU-Subventionen schwadroniert und darüber eine wahnwitzige Kette an weltweiten Zusammenhängen knüpft, in der der Mensch auf der Strecke bleibt – Stoff zum Nachdenken.
Die drei gönnen den Zuhörern keine Pause, ein Gag oder tiefsinniger Denkanstoß jagt den anderen, am Ende immer wieder eine verblüffende Pointe. Witzige Wortspielereien beginnen beim Guglhupf und enden bei Google in all seinen Varianten und somit logischerweise beim Datenschutz, der schon längst den Kampf gegen einen transparenten Bürger verloren hat.
Unmöglich, das über zwei Stunden währende Kabarettprogramm ganz darzustellen. Am besten, man kauft sich Eintrittskarten, auch wenn man vielleicht nicht ganz so lange anstehen muss wie bei der Gruber.
Weitere Vorstellungen gibt es am Freitag und Samstag, jeweils um 20 Uhr im Haus der Begegnung in Pfaffenhofen.